15
Joshua

Allmählich begannen Joshuas Glieder zu schmerzen. Wie lange befand er sich schon in dieser dämlichen Kiste? Eine Stunde? Zwei? Das mühsame Abtasten seiner Hosentaschen hatte ergeben, dass man ihm sowohl sein Handy als auch seinen Geldbeutel abgenommen hatte. Nicht einmal die Armbanduhr hatte man ihm gelassen, sodass ihm jegliches Zeitgefühl fehlte. Seine Knöchel taten vom sinnlosen Klopfen empfindlich weh. Seine Kehle brannte vom minutenlangen Schreien, mit dem er versucht hatte, die Idioten vom Orga-Team auf sich aufmerksam zu machen. Kopfweh und Übelkeit waren ebenfalls nicht schwächer geworden. Vorsichtig fuhr sich Joshua mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen. Das Durstgefühl, das unter der Oberfläche gelauert hatte, war mittlerweile zu einem akuten Bedürfnis geworden.

Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Er keuchte erstickt, als er mit der Stirn kräftig an das harte Holz über ihm stieß. Nicht einmal eine Polsterung hatte dieses verfluchte Teil, in das sie ihn eingesperrt hatten. Konzentriert lauschte er nach draußen. Das leise Knirschen näherkommender Schritte. Sicher jemand vom Orga-Team, der nach dem Rechten sehen wollte.

Er würde diesen Arschlöchern etwas erzählen. Wieso hatten sie nicht genauer beschrieben, welch hirnrissige Aktion sie planten? Garantiert war ihnen klar, dass er diesen unsäglichen Mist abgelehnt hätte. Selbst wenn er damit einverstanden gewesen wäre, als Köder eine scheinbare Ewigkeit in der Finsternis auszuharren, hätte ihn spätestens der Gedanke an Gwendolin von einer Zusage abgehalten. Er wusste um ihre Unsicherheit und hatte nicht vor, seine beste Freundin die halbe Nacht alleinzulassen. Die Typen vom Orga-Team hatten definitiv ein Rad ab. Ohne Vorbereitung oder Erklärung entführt zu werden und in einer Kiste aufzuwachen, war einfach zu heftig. Er war nicht gewillt, diesen Schwachsinn länger mitzumachen. Das würde er ihnen ganz deutlich sagen.

Mittlerweile hatten die Schritte angehalten. Er hörte das Knistern einer Plane, die zurückgeschlagen wurde.

„Hallo?“, krächzte Joshua. Nur mit Mühe brachte er die Silben hervor. Seine Kehle fühlte sich an, als sei sie mit Schmirgelpapier bearbeitet worden. Vermutlich von den Betäubungsmitteln, die er gezwungenermaßen eingeatmet hatte. „Lasst mich raus, ihr Penner.“

Das Lachen, das von außerhalb erklang, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.

„Kim?“, fragte er leise. Er bezweifelte, dass es draußen zu hören war. Dennoch erhielt er unmittelbar eine Antwort. Sie gefiel ihm nicht.

„Joshi“, begrüßte ihn Kim. „Du bist wach. Wie schön.“

„Lass mich raus“, verlangte Joshua. „Sofort.“

„Nein, werde ich nicht“, entgegnete Kim ungerührt.

„Wie kommst du überhaupt darauf, mich hier einzusperren? Was für eine saublöde Idee! Bist du völlig irre?“, fluchte er aufgebracht. „Gehörst du zum Orga-Team? Seit wann machst du bei diesem Quatsch mit?“

Kims Antwort sorgte dafür, dass Joshuas Übelkeit mit voller Wucht hervorbrach.

„Ich gehöre nicht zum Orga-Team“, offenbarte sie kühl.

Joshuas Gedanken rasten. Wenn Kim nicht für den Schattenraum arbeitete, war seine Entführung kein Teil des Spiels. Schleichend kroch die Angst in ihm empor und verdrängte die eben noch vorherrschende Wut. Er hatte das Gespräch ganz falsch angepackt.

„Kim“, bat Joshua eindringlich. „Lass mich raus.“

Keine Antwort.

„Kim!“ Joshua klang nun fast verzweifelt. „Mach diese verdammte Kiste auf. Bitte! Wir können doch über alles reden …“

„Über alles reden?“, wiederholte Kim mit einem bitteren Lachen. „Als ich heute Morgen mit dir über uns reden wollte, hast du mich beschimpft und bist abgehauen.“

„Das war dumm von mir!“, beteuerte Joshua schnell. Allmählich wurde ihm klar, dass er in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. „Lass mich raus, und ich verspreche dir, dass ich uns noch eine Chance geben werde.“

„Joshi“, tadelte sie liebevoll. „Es ist schön, dass du letztendlich einsiehst, dass wir zusammengehören. Aber es ist zu spät.“

„Zu spät?“, stammelte er, während eisiges Entsetzen in ihm aufstieg. „Weshalb zu spät?“ Hilflos ballte er die Hände zu Fäusten. Er musste sie irgendwie umstimmen. Möglicherweise hing sein Leben davon ab, dass er nun die richtigen Worte fand. Kim war unberechenbar. „Wenn du mich rauslässt, können wir uns aussprechen. Die Trennung war tatsächlich ein Fehler. Du hattest recht.“

„Ach, Joshi.“ In Kims Tonfall konnte er ehrliches Bedauern erkennen. „Hast du es nicht begriffen? Ich werde dich nicht mehr rauslassen. Nichts, was du sagst, kann daran etwas ändern.“